(Virtuelle) Wirklichkeiten gestalten

Tagung der LAG Jugend & Film Niedersachsen befasst sich mit der Nutzung von VR in der Medienpraxis

Mit auslandenden Bewegungen zieht man Pinselstriche um sich herum, die in der Luft stehen bleiben. Nach und nach nimmt ein Objekt Gestalt an – erst ein Baum, dann noch einer, dann ein ganzer Garten. Die Virtual Reality-Anwendung Tilt Brush fügt dem Malen eine neue Dimension hinzu, deren Erkundung faszinierend ist. Allerdings mit Abstrichen: Schaut man aus einem anderen Blickwinkel auf das eigene Werk, dann wirkt das Gebilde plötzlich völlig abstrakt – und schnell wird offensichtlich: das Arbeiten in der virtuellen Realität erfordert häufig ein Umdenken.

Einen Rahmen für genau dieses Um- und neu denken bot am 28. Und 29. April 2018 ein weiteres Mal die Tagung Wirklichkeiten gestalten, zu der die LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V. in die Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel eingeladen hatte: Während in den vergangenen Jahren verschiedene Medien rund um Film, Games, und Crossover-Formate eine Rolle spielten, sollte dieses Mal dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Wirklichkeiten heute eben auch in der virtuellen Realität gestaltet werden können – mit VR-Brille, Controller und eigener Körperbewegung.

Den aktuellen technischen Stand präsentierte den TeilnehmerInnen eingangs Christian Grohganz von den VR-Nerds aus Hamburg: Sein Vortrag stellte nicht nur die technischen Trends in der Branche vor, sondern warf auch einen Blick auf den Einsatz von VR von der Industrie bis hin zum immersiven Kinoprojekt „Pearl“.

Nach dem Kennenlernen der High-End-Möglichkeiten erprobten die TeiilnehmerInnen unter Anleitung von Till Balbach (waza!games Berlin) mit Google Carboard ein selbstgebasteltes VR-Brillengehäuse aus Pappe für das eigene Smartphone. Mit wenig Aufwand werden so erste Schritte in die virtuelle Realität ermöglicht, die zwar nicht mit High-End-Geräten mithalten können, aber trotzdem schon einen erstaunlichen Eindruck räumlicher Tiefe und Immersion vermitteln.

Doch was kann man anfangen mit der schönen neuen Welt – zumal, wenn man sich für Nutzungsmöglichkeiten von VR in Bildungs- und Kulturzusammenhängen interessiert? Diese Frage diskutierten die TagungsteilnehmerInnen kontrovers, und konkrete Ideen für eigene Workshops trafen auf Skepsis, ob die bei VR erreichte Tiefe rein visuell ist oder auch eine inhaltliche Dimension hat.

Diese Überlegungen vertiefte auch der Filmjournalist Jens Balkenborg (Frankfurt am Main), der in seinem Abendvortrag einen Bogen von den Anfängen des Kinos bis zu den experimentellen VR-Filmarbeiten der Gegenwart schlug. Seine These: VR-Erlebnisse setzten, vor allem im Filmbereich, noch zu sehr auf Schauwerte, blieben eine eigene Formsprache aber bislang noch schuldig.

Abgerundet wurde die Veranstaltung wie gewohnt durch ein umfangreiches „Hands On Games“, bei dem verschiedene VR-Titel ausprobiert und eigene Nutzungserfahrungen gesammelt werden konnten.

Nachdem durch die Tagung eine gemeinsame Sachgrundlage geschaffen war, zeigte sich bei der abschließenden Diskussion aber auch: Jetzt muss es um Konzepte und Ideen für konkrete Projekte gehen – vielleicht im Rahmen kommender Tagungs- und Workshopangebote? Wir sehen uns bei Wirklichkeiten gestalten 2019!

 

Eine detaillierte Dokumentation der Tagung ist in Vorbereitung.

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