LAG@home Tool-Tipp der Woche: Dreams

Brachiale Grillpartys oder umfangreiche Maiwanderungen bleiben heute notgedrungen aus -- dafür bleibt ein wenig Zeit, sich mit "Dreams" zu beschäftigen, das das Erstellen eigener Games, Animationen, Machinima und 3D-Skulpturen auf erstaunlichem Niveau erlaubt:

Ein faszinierendes Sammelsurium ist es, das Entwickler Media Molecule uns da auf der Playstation 4 serviert: Denn "Dreams" ist sowohl ein Game-Design-Studio, mit dem sich eigene Ideen für Videospiele umsetzen lassen, als auch eine Modellierwerkstatt für 3D-Modelle, Spielfiguren und -gegenstände. Und ein Tonstudio. Und eine Machinima-Werkstatt. Und auch ein Netzwerk mit Zugang zu den Spielen und digitalen Kreationen unzähliger anderer Nutzer*innen -- ganz schön viel auf einmal, und das alles auf einer Videospielkonsole. Kann das gutgehen?

Gerade am Anfang fühlt man sich mitunter schon ein bisschen überfordert, muss erst einmal die Tricks und Kniffe lernen, um den eigenen "Imp", quasi eine Mischung aus Avatar und Mauszeiger, souverän durch die dreidimensionale Ansicht der Spielwelt zu bewegen, Objekte zu platzieren und zu bearbeiten. Die Bedienung fühlt sich, gerade wenn man mausgesteuerte Software gewöhnt ist, am Anfang gewöhnungsbedürftig an und folgt eher dem Vorbild von Videospielen. Zahlreiche Tutorials weisen hier aber - vorbildlich - den Weg und fordern auch immer wieder direkt zum "Selbermachen" auf. Und doch, erst einmal muss man schlicht und einfach Aufmerkamkeit und Lernarbeit investieren.

Doch dann stellen sich erste Erfolgserlebnisse ein: spätestens dann nämlich, wenn man entdeckt, dass sich erste eigene Levels auch schon relativ einfach aus jenen Bauteilen zusammensetzen lassen, die die Entwickler*innen schon einmal vorbereitet haben. Diese Teile lassen sich nämlich frei kombinieren und zu ziemlich komplexen Welten zusammenstellen, gerade auch, weil das Zusammenfügen und Ineinandermischen der verschiedene Elemente so problemlos funktioniert und weil das Erschaffene jederzeit auch im Spiel getestet werden kann.

Wie schnell auf diesem Weg eigene kleine Spielwelten entstehen, haben wir im folgenden Video kurz dargestellt. Die im Zeitraffer gezeigte Sequenz hat dabei in Echtzeit ungefähr zehn Minuten gedauert:

Dreams -- Levelbau aus vorgegebenen Teilen:

Sind diese ersten Arbeitsschritte erst einmal verinnerlicht, dann können auch die Levels komplexer werden. Schnell entstehen so schon erste, etwas umfangreichere Spielumgebungen, die sich zudem mit - ebenfalls vorgefertigten - Sammelgegenständen, Objekten oder Levelausgängen verfeinern lassen:

Dreams -- Levelexperimente:

Nutzt man vor allem die vorgegebenen Teile, dann ist man natürlich auch auf deren Aussehen und Stil festgelegt. Für Nutzer*innen, die sich mehr kreative Kontrolle wünschen, ist der nächste Schritt sind dann also ein Projekt, bei dem wirklich alle Elemente selbst gemacht sind, denn auch das Designen eigener Grafiken, Bausteine oder 3D-Skulpturen ermöglicht die Software. So entstehen Spiele, die wirklich komplett den eigenen Vorstellungen entsprechen.

Und auch, wenn die Ergebnisse natürlich zunächst noch weniger professionell daherkommen, als es die vorgegebenen Bauteile sind: Auf diesem technischen Niveau schon nach kurzer Zeit komplett eigene Kreationen in Bewegung setzen zu können, sorgt für einen erheblichen Motivationsschub!

Dreams -- Prototyp mit selbst gestalteten Assets:

Dieser Motivationsschub sorgt dann auch dafür, dass man noch tiefer in die Werkzeuge eintaucht, die "Dreams" bietet: Also studiert man weitere Tutorials über Spielmechanismen, Logik und Kamerasteuerung und optimiert dann die bereits erstellten Spielwelten: baut also neue Levels, platziert Soundeffekte und Hindernisse oder montiert Kamerawinkel, Animationen und komplexere Logikzusammenhänge auf einer Timeline, die klassischen Schnittprogrammen ähnelt, aber quasi auf Knopfdruck mitten im Spiel hängt. Oder verbindet verschiedene Elemente und Ereignisabfolgen wie in einem Schaltkasten - Scratch lässt grüßen - um Dialoge oder komplexere Zusammenhänge zu erzeugen. Hier wird es - wenig überraschend - dann relativ schnell kompliziert, aber es gibt immer wieder auch Erfolgserlebnisse, die zum Weitertüfteln motivieren.

Damit eigene Projekte dann aber auch wirklich Gestalt annehmen, bedarf es vor allem ausreichender Inspiration -- und auch die liefert "Dreams" gleich selbst mit. Dem zum einen können die erstellten Elemente, Grafiken oder Soundeffekte anderer Nutzer*innen auch für eigene Projekte genutzt werden, sofern die Urheber*innen das erlauben. Beim fertigen Produkt weist dann eine komplette Liste der Beteiligten darauf hin, wer alles mit eigenen Elementen am Spiel beteiligt war. Das führt auch dazu, dass man gar nicht alle Aspekte von "Dreams" selbst beherrschen muss, sondern sich die Expertise begabter Grafiker*innen oder Musiker*innen für das eigene Projekt "ausborgen" darf -- oder gar die eigene Expertise anderen zur Verfügung stellen kan. Oder man startet direkt eine echte Zusammenarbeit und gestaltet gemeinsam ein Projekt.

Die zweite erhebliche Inspirationsquelle besteht aber in den unzähligen von Nutzer*innen gestalteten Spielen, Filmen oder anderen Medien, die bei "Dreams" beim so genannten "Dreamsurfing" frei erforscht - und gespielt - werden können.

Am Anfang sei hier das quasi „mitgelieferte“ Spiel „Art’s Dream“ genannt, das sich gleich in mehrfacher Hinsicht perfekt zum Einstieg handelt: Zum einen ist es komplett selbst mit den "Dreams"-Werkzeugen erstellt und zeigt damit, was mit dem Programm möglich ist (und macht vielleicht Lust zum Nachahmen). Zum anderen ist es, sowohl wegen seiner Geschichte um Jazz-Musiker Art, als auch wegen der zahlreichen kreativen Ideen und Genreausflüge, schon um seiner selbst willen absolut spielenswert.

Aber auch die Spiele aus der Community müssen sich mittlerweile nicht mehr hinter denen der "Profis" verstecken: Klar, es findet sich auch viel Halbgares und Halbfertiges, eben weil mit "Dreams" auch Amateur*innen arbeiten -- und arbeiten sollen! Die Perlen in der Sammlung der veröffentlichten Spiele strahlen allerdings umso heller und wären oft genug eine eigene Veröffentlichung wert. Eine kleine Auswahl findet sich in der Galerie unten.

Nicht zuletzt machen all diese Projekte auch die Vielseitigkeit von "Dreams" deutlich, mit dem sich völlig unterschiedliche Spielprinzipien, Medientypen und Stile umsetzen lassen. Und die Best Practice-Beispiele machen immer wieder auch Lust zum weiteren Herumprobieren -- etwa, um herauszufinden, wie andere Nutzer*innen bestimmte Tricks und Kniffe wohl umgesetzt haben. Im Grunde wäre schon das Entdecken der besten "Dreams"-Kreationen an sich genug Grund zur Anschaffung.

Fazit:

Klingt doch alles nach einem faszinierenden Stück Software, oder? Als schiere Wundertüte kreativer Möglichkeiten ist "Dreams" in der Tat eine Wucht, und es gibt wenig Vergleichbares (am ehesten noch Roblox oder Microsofts vielversprechendes, aber leider relativ glückloses, "Project Spark"). Und gerade die (momentan sehr) lebendige Community der "Dreams"-Nutzer*innen ist es, die überhaupt erst so viele Möglichkeiten aus den Werkzeugen, die die Software liefert, herauskitzelt.

Gibt es auch etwas zu meckern? Ja. Denn zum einen wollen die ganzen tollen Möglichkeiten und Werkzeuge ja auch genutzt - und überhaupt erst eimmal erlernt - werden. Und dazu braucht es -- Geduld!

Zwar erlebt man wie gesagt relativ schnell erste Erfolge, die dann zum Weitermachen motivieren. Gerade für einen möglichen Einsatz im Jugendzentrum oder mit Schüler*innen muss aber klar sein: Es geht nicht gleich nach dem Einschalten direkt los mit dem munteren Spielebauen: Gerade die Grundlagen der Bedienung zu erlernen, dauert dann doch einige Stunden (die allerdings auf vergnügliche Art und Weise vorübergehen). Für längerfristig angelegte Angebote (wie AGs oder Projekte) hingegen wäre "Dreams" zweifelsohne eine faszinierende Option. Trotzdem: Dass die vielen kreativen Möglichkeiten faszinieren, ist das eine. Ob man sie auch wirklich nutzen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Der andere Kritikpunkt ist eher struktureller Natur: Da es sich um eine Exklusiventwicklung für Sonys Playstation handelt, sind alle entstandenen Werke fest ans "Dreams"-Universum (und damit an die Playstation 4) gebunden. Sofern es sich also nicht „nur“ um Filme, sondern auch um Spiele, Levels oder 3D-Konstrukte handelt, werden sowohl „Dreams“ als auch die Konsole benötigt, um auf die Kreationen zuzugreifen. Ein frei verfügbares Veröffentlichen – wie z.B. auf der Plattform itch.io und/oder bei Projekten, die mit einer Engine wie "Unity" entwickelt wurden – ist nicht möglich.

Gleichzeitig legt Entwickler Media Molecule großen Wert darauf, dass die Nutzer*innen an ihnen mit "Dreams" erschaffenen Werken ein eigenes Urheberrecht haben. Es wird also spannend, zu sehen, wie sich dieser Faktor in Zukunft weiterentwickelt.

Ein weiterer Aspekt, der weniger einen Kritikpunkt darstellt, auf den aber trotzdem hingewiesen werden sollte: Wichtig für "Dreams" sind eben auch die daran besfestigte Community von Nutzer*innen und die von diesen erstellten Inhalte. Das bedeutet aber auch, dass zum einen ein Kontakt mit anderen Nutzer*innen stattfinden kann (wenngleich er komplett auf das Austauschen von - sichtbaren - Kommentaren beschränkt bleibt). Und dass die nutzergenerierten Inhalte zum anderen nicht immer kindgerecht sein müssen -- hier wird aber zum einen aktuell durchaus engagiert kuratiert, und eine Meldefunktion ist ebenfalls vorhanden. Es gelten trotzdem alle Vorsichtsregeln, die man bei der Nutzung von Onlinecommunities ohnehin beachten sollte!

Abschließend: "Dreams" mag nicht so flexibel, leistungsstark oder plattformübergreifend wie z.B. "Unity" sein. Es ist aber andererseits auch um Längen zugänglicher, niedrigschwelliger und führt schneller zu Erfolgserlebnissen, gerade wenn vorher keine Programmierkenntnisse vorhanden sind. Und es lässt den Traum, eigene Games (und alle ihre Bestandteile) auf relativ hohem Niveau zu erstellen und mit anderen zu teilen - ein Stückweit Wirklichkeit werden. Für werdende professionelle Game-Entwickler*innen ist es also möglicherweise zumindest einen Blick wert oder kann als Werkzeug für erste Fingerübungen dienen, auch wenn der weitere Weg danach zu anderen Tools führt. Für alle anderen, aber - for allem für Kreative mit Spiel- und Experimentiertrieb (und mit einer Playstation in Reichweite) - ist es aus unserer Sicht unbedingt empfehlenswert!

 

"Dreams" ist als kostenpflichtige Software - entweder als digitaler Download oder auf BluRay - für die Sony Playstation 4 verfügbar. Es hat eine USK-Freigabe von 12 (was allerdings mehr den potenziell von anderen Nutzer*innen erstellten Inhalten als den mitgelieferten Inhalten geschuldet ist). Eine Internetverbindung wird benötigt, um die Software nutzen zu können. Mehr Informationen zu "Dreams" finden sich auf der offiziellen Seite hier.

Tipp von:

Stefan Berendes ist Vorstandsmitglied der LAG Jugend & Film Niedersachsen und medienpädagogischer Referent. Games sind eines seiner Schwerpunktthemen, so z.B. beim Projekt „LET’S PLAY GERMANY“ (2016 – 2017) oder bei den „Game Days“ in Osnabrück und Göttingen. "Dreams" hat ihn endlich mit der zappeligen Bewegungssteuerung des Playstation Controllers versöhnt -- zumindest ein bisschen...

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